Forschungsschwerpunkte

"Der Geist ist der Herr über sein Schicksal:

Er kann sowohl Ursache seines Glücks als auch seines Unglücks sein."

Lucius Annaeus Seneca, römischer Philosoph


Der Forschungsschwerpunkt der Abteilung für Sportpsychologie bezieht sich auf die Prozesse der Selbstregulation. Dabei steht die Frage im Vordergrund wie Menschen ihre Gedanken, Gefühle und Handlungen steuern, um ihre Ziele im Freizeit- und Leistungssport zu erreichen. Vor allem die Frage, wie Emotionen im Sport reguliert werden, ist eine der zentralen Fragestellungen der Forschungsgruppe.

Emotionen gelten als ein grundlegender Bestandteil des menschlichen Wesens. Neurowissenschaftliche Untersuchungen legen nahe, dass die Trennung von Gefühl und Verstand nur eine Illusion ist. An allen Entscheidungen, die der Mensch trifft, sind jene Teile des Gehirns maßgeblich beteiligt, die Emotionen verarbeiten. Emotionen sind somit ein Teil eines intelligenten Systems, das dem Menschen hilft, Situationen einzuschätzen und zu handeln. Unabhängig davon, ob das bewusst wahrgenommen wird oder nicht, beeinflussen Emotionen die Entscheidungen des Menschen permanent. Gleichzeitig erleichtern bzw. erschweren die Emotionen die Kommunikation mit anderen Menschen.

Im Sport spielen Emotionen eine herausragende Rolle und treten besonders intensiv auf. Deshalb bietet sich der Sport als Handlungsfeld an, Emotionen zu erforschen. Sport und Emotionen stehen in einer gegenseitigen Interaktion. Auf der einen Seite werden die Emotionen durch den Sport ausgelöst und bieten eine Gelegenheit, sich mit eigenen Emotionen und Emotionen von anderen auseinander zu setzen. Auf der anderen Seite werden die Handlungen im Sport durch Emotionen beeinflusst. Sowohl im Freizeit- und Gesundheitssport als auch Leistungssport spielen Emotionen eine entscheidende Rolle. Emotionen sind maßgeblich an der Entscheidung beteiligt, ob wir einen angefangenen Sportkurs fortsetzen und regelmäßig trainieren. Im Leistungssport gilt der Umgang mit eigenen Emotionen als die entscheidende Größe für den Erfolg.

Mein Forschungsinteresse richtet sich vor allem auf den Bereich der Affekte und Emotionen im Sport. Meine Forschungskonzeption basiert auf vier Leitfragen, die unterschiedliche Kompetenzen bei der Auseinandersetzung mit Emotionen im Sport widerspiegeln:

  • Wie kann man eigene Emotionen erkennen und verstehen?
  • Wie werden Emotionen erlebt und ausgedrückt?
  • Wie können Emotionen beeinflusst und reguliert werden?
  • Wie kann man Emotionen anderer erkennen und verstehen?

Diese vier Leitfragen meiner Forschung manifestieren sich in verschiedenen Handlungsfeldern der Sportwissenschaft wie  Freizeit- und Gesundheitssport, Leistungssport oder Schulsport (siehe Abbildung 1). Im Folgenden werden diese Forschungsfragen beispielhaft in jeweiligen Handlungsfeldern des Sports kurz dargestellt.

 

Abbildung 1: Leitfragen und Handlungsfelder der Emotionsforschung im Sport

 

Emotionen im Freizeit- und Gesundheitssport

 

Regelmäßige körperliche Aktivität führt zu einer Reihe von positiven gesundheitlichen Effekten. Ein Großteil der Teilnehmer bricht jedoch bereits nach sechs Monaten die Teilnahme an Sportkursen ab. Eine Strategie zur Steigerung der Regelmäßigkeit der Teilnahmehäufigkeit besteht darin, die positiven Emotionen während der Ausübung der körperlichen Aktivität zu fördern. Ergebnisse empirischer Studien deuten darauf hin, dass Affekte und Emotionen einen robusten Effekt auf körperliche Aktivität haben. Darüber hinaus zeigt es sich im Rahmen einer experimentellen Studie, dass Emotionen durch eine gezielte Intervention positiv beeinflusst werden können, was sich wiederum positiv auf die Teilnahmehäufigkeit auswirkt. Eine Reihe von Forschungsfragen bleibt aber noch offen: Wie können die Emotionen im Sport effektiv beeinflusst werden? Wie langfristig sind diese Effekte? Welche Mechanismen stecken dahinter? Welche Rolle spielen negative Emotionen? Wie sieht das Zusammenspiel mit kognitiven Variablen (z.B. Intention) aus? Wie könnten großangelegte Interventionen zur Förderung der körperlichen Aktivität aussehen? 

 

 

Emotionsregulation im Leistungssport

 

Der Einfluss von Emotionen auf die Leistungsfähigkeit im Sport ist wichtiges Thema der sportpsychologischen Forschung. Im Allgemeinen scheinen die negativen Emotionen einen negativen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit im Sport zu haben, wobei die positiven Emotionen eher mit einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit einhergehen. Die Frage, wie ein effektiver Umgang mit eigenen Emotionen im Leistungssport aussehen könnte, wurde bisher nicht zufriedenstellend beantwortet.

Achtsamkeitsbasiertes Training scheint ein neues, innovatives Verfahren für die Sportpsychologie zu sein, das auf einer langen Tradition beruht. Obwohl einzelne Sportler schon länger dieses Verfahren in der Praxis eingesetzt haben, hat die Wissenschaft erst vor kurzem die Achtsamkeit zu ihrem Gegenstand gemacht. Eine systematische Erforschung der Achtsamkeit und ihrer Wirkungen im Leistungssport hat derzeit nur in Ansätzen stattgefunden. Einige wenige Studien liefern erste Hinweise, dass durch ein achtsamkeitsbasiertes Training die Fähigkeit zur Regulation der Emotionen beeinflusst werden kann. Ein Projektantrag wurde beim Bundesinstitut für Sportwissenschaft gestellt, um ein achtsamkeitsbasiertes Training für den Leistungssport zu entwickeln und auf die Wirksamkeit zu überprüfen.

 

Emotionen im Sportunterricht

 

Die Ergebnisse einer deutschlandweit repräsentativen Studie zeigen, dass 8.6% der Jungen und 9.7% der Mädchen im Alter zwischen 3 und 17 Jahren Auffälligkeiten bezüglich emotionaler Probleme aufweisen. Ohne frühe Intervention können sich die emotionalen Probleme im Kindes- und Jugendalter weiter manifestieren, was eine Verschlechterung der Schulleistung, eine Steigerung der Schulabbruchquote, Substanzmissbrauch, Delinquenz und Gewalt zur Folgen haben kann. Der Sportunterricht stellt eine Gelegenheit dar, um die Kompetenzen zum Umgang mit eigenen Emotionen zu erlernen. Es ist erstaunlich wenig darüber bekannt, wie der Sportunterricht von Schülern emotional erlebt wird und welche Lernprozesse zum Umgang mit Emotionen stattfinden. Eine Reihe von Fragestellungen stellt für die Forschung: Wie beeinflussen positive und negative Emotionen den Sportunterricht? Gibt es Schülergruppen, die Angst vor dem Schulunterricht haben? Wie sollte mit diesen Ängsten umgegangen werden? Welche Rolle spielt der Lehrer bzw. die Lehrerin? Wie sollte der Sportunterricht aussehen, um die emotionalen Kompetenzen der Schüler zu fördern? Wie sollte eine effektive Ausbildung der Lehrer und Trainer gestaltet werden?